Der Junge aus dem Wald: Thriller (German Edition) by Coben Harlan

Der Junge aus dem Wald: Thriller (German Edition) by Coben Harlan

Autor:Coben, Harlan [Coben, Harlan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2020-08-23T16:00:00+00:00


ZWEIUNDZWANZIG

A ls Wilde aufwachte, dachte er zuerst an Laila, noch bevor er überhaupt bemerkt hatte, dass er sich nicht in der Ecocapsule, sondern in einem fremden, aber vertrauten Hotelzimmer befand.

Verdammt!

Sondra saß auf einem Stuhl, hatte die Füße untergeschlagen. Die Morgensonne strahlte auf ihr Gesicht. Zunächst bewegten sich beide nicht. Sie starrte aus dem Fenster. Er starrte auf ihr Profil, versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten – Gelassenheit? Reue? Versunkenheit? –, und ihm wurde klar, dass das, was immer er auch hineininterpretierte, höchstwahrscheinlich falsch war. Es war nicht so einfach, am Gesicht eines Menschen abzulesen, was in ihm vorging.

»Guten Morgen, Sondra.«

Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. »Guten Morgen, Wilde.« Dann: »Musst du sofort los?«

Auch in diesem Moment versuchte er – obwohl er sich gerade vorgenommen hatte, es nicht zu tun –, ihre Gedanken zu lesen. Wollte sie, dass er ging, oder gab sie ihm nur die Gelegenheit, für den Fall, dass er sie ergreifen wollte?

»Ich hab nichts vor«, sagte er. »Aber wenn du Pläne …«

»Wie wäre es, wenn wir uns Frühstück bestellen?«

»Klingt gut.«

Sondra lächelte ihm zu. »Ich wette, du kennst die Frühstückskarte auswendig.«

Er antwortete nicht.

»Tut mir leid. Ich wollte nicht …«

Wilde winkte ab. Sie fragte ihn, was er essen wollte. Er sagte es ihr. Sie ging ins Wohnzimmer der Suite und nahm den Hörer ab. Wilde stieg nackt aus dem Bett. Er war auf dem Weg ins Badezimmer, als sein Handy ausrastete.

Es summte, klingelte oder vibrierte nicht. Es rastete aus.

Er griff es schnell und schaltete den Alarm aus.

»Ist alles in Ordnung?«

Er schaute aufs Display. Die Antwort lautete Nein.

Er wischte nach links, worin manche unter diesen Umständen vielleicht eine gewisse Ironie sehen mochten. Aber es war nicht Tinder – es war sein Alarmsystem. Ein Auto war in seine versteckte Straße gefahren. Eigentlich keine große Sache. Das löste noch keinen Alarm aus, es schaltete nur die anderen Sensoren und Bewegungsmelder ein. Und zwei davon hatten bereits ausgelöst. Noch während er auf den Bildschirm sah, löste ein dritter aus. Das bedeutete, dass jemand – mindestens drei Personen – im Wald unterwegs war und nach seiner Behausung suchte. Wieder wischte er nach links. Eine Landkarte erschien. Ein vierter Sensor löste aus. Sie näherten sich der Ecocapsule von Süden, Osten und Westen.

»Du musst los«, sagte Sondra.

Wilde wollte es erklären. »Jemand versucht herauszufinden, wo ich wohne.«

»Okay.«

»Also … das ist keine billige Ausrede.«

»Ich weiß«, sagte sie.

»Wie lange bist du noch in der Stadt?«

»Ich fahr heute wieder.«

»Oh.«

»›Oh‹ oder ›puuh‹?« Sie hob eine Hand. »Entschuldige, das war unangebracht. Du wirst es nicht glauben, aber für mich ist das neu.«

»Das glaube ich«, sagte er.

»Für dich aber nicht.«

»Nein, das ist es nicht.«

»Du hast nicht gut geschlafen«, sagte sie. »Du hast oft etwas gerufen. Du hast dich hin und her geworfen, als ob die Decken dich einschnüren würden.«

»Tut mir leid, wenn ich dich wach gehalten habe.«

Mehr gab es eigentlich nicht zu sagen. Wilde zog sich schnell an. Kein Abschiedskuss. Überhaupt keine richtige Verabschiedung. Es war ihm lieber so. Während er sich fertig machte, blieb Sondra im Wohnzimmer der Suite. Vielleicht machte sie sich auch fertig.



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